Die meisten Führungskräfte (und dazu gehören in Versicherungsbetrieben fast alle Geschäftsinhaber) sind sehr bemüht, einen guten Job zu machen. Sie sorgen für Umsatz, möchten gute Arbeitsergebnisse erreichen, die Zusammenarbeit im Team stets effektiver gestalten, für ein gutes Team-Klima sorgen und selbst mit gutem Vorbild vorangehen.
Mit Sicherheit ist das eine lobenswerte Haltung.
Die meisten Führungskräfte machen Vieles intuitiv gut und sogar sehr gut.
Es gibt allerdings „blinde Flecken“, die sich von den Führungskräften schwer erahnen oder wahrnehmen lassen. Eine von diesen Dingen, die Führungskräfte oft übersehen, sind „Drinnen“- und „Draußen“-Teams“.
Was ist das genau?
Zwei französische Wissenschaftler Manzoni und Barsoux haben im Jahr 2003 die These aufgestellt, dass jede Führungskraft ihr eigenes Team (unabhängig davon, ob es Außendienstler oder Innendienstler sind) als zweigeteilt wahrnimmt: das „Drinnen-Team“ und das „Draußen-Team“. Sie denkt über das „Drinnen-Team“: „Das sind meine Top Leute. Sie arbeiten eigenverantwortlich und effizient, sind motiviert und arbeiten sich in neuen Themen gerne und schnell ein. Wenn ich ihnen wichtige Aufgaben übertrage, dann kann ich mich auf sie 100-prozentig verlassen.“
Die Mitarbeitenden aus dem „Drinnen-Team“ denken: „Das ist eine tolle Chefin, ein toller Chef. Wir bekommen viel Vertrauen, verantwortungsvolle Aufgaben und Freiräume. Die Arbeit hier macht echt Spaß.“
Über die Leute im „Draußen-Team“ denkt die Führungskraft: „Sie sind echt langsam, machen Fehler, so dass ich sie laufend kontrollieren muss, sie haben keine Lust auf neue Aufgaben und ich muss sie ständig antreiben.“
Die Menschen aus dem „Draußen-Team“ denken: „Die Führungskraft ist ein Kontrollfreak. Sie lässt uns nichts alleine machen, weil sie eh alles selbst sehen will. Es macht keinen Sinn, mehr als nötig zu arbeiten, weil sie sofort kommt und etwas zu meckern hat“.
Die zwei Beispiele zeigen, wie sich eine Haltung (auf beiden Seiten) auf Leistung und Verhalten (auf beiden Seiten) negativ auswirkt.
Viele Chefinnen und Chefs würde hier vielleicht einwenden, dass manche Menschen sich auf dem Bürostuhl lieber ausruhen als Leistung zu erbringen. Falls dies so ist, dann stellt sich die Frage, was eine Führungskraft dagegen unternehmen kann. Da Menschen sehr unterschiedlich sind (und damit meine ich nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Führungskräfte), ist es schwierig, in einem einzigen Beitrag alle Möglichkeiten zu erörtern. Nur in einem individuellen Coaching ist es möglich, geeignete Lösungen für solche Fälle zu entwickeln.
Um jedoch die These für Drinnen- und Draußen-Teams zu untermauern, möchte ich hier ein anderes Beispiel aus dem Büroalltag beschreiben. Zuerst aber eine Frage vorab.
Mag ich als Chefin oder Chef alle meine Mitarbeitenden?
Beantworten Sie bitte für sich selbst die Frage, ob Sie alle Mitarbeitenden gleichermaßen mögen, deren Arbeitsleistung wertschätzen und als Menschen sympathisch finden? Wenn Sie die Frage ehrlich bejaht haben, dann haben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nur ein Team im Büro und nicht zwei, wie in der Hypothese definiert.
Eine solche Konstellation ist jedoch nicht die Regel. In jeder Gruppe (und ein Team im Versicherungsbüro ist auch „eine Gruppe“) gibt es unterschiedliche Menschen. Sie haben Gemeinsamkeiten und unterscheiden sich in vielen Dingen.
Wenn Sie sich als Führungskraft mit manchen Mitarbeitenden in Ihrem Büro öfter privat als mit anderen unterhalten, dann kann es daran liegen, dass Sie sich beispielsweise für gleiche Themen interessieren. Es kann Fußball, Handball oder eine andere Sportart sein, eine ähnliche Urlaubsgestaltung, ein gleicher Sinn für Humor, vergleichbare Lebensumstände wie Kinder im ähnlichem Alter, Haustiere oder Hobbys, wie Laufen, Radfahren, Angeln, Tauchen, gerne Grillen etc.
Es sind viele kleine Dinge im Leben, die uns gegenseitig anziehen oder distanzieren. Menschliche Beziehungen werden durch Ähnlichkeiten gestärkt und durch diese genährt.
Wenn Sie als Führungskraft bewusst wahrnehmen, dass Sie im Büroalltag mit bestimmten Mitarbeitenden öfter „schnacken“, lachen oder sogar ein wenig flirten, dann kann es im Umkehrschluss bedeuten, dass Sie es mit anderen Mitarbeitenden weniger tun. Es ist grundsätzlich nicht schlimm, wenn sie Ihre „Lieblinge“ im Team haben. Ein solches Verhalten ist menschlich. Es ist aber leider nicht förderlich für Sie und die anderen Mitarbeitenden, wenn dadurch die Arbeitsbeziehung zu diesen „Anderen“ belastet wird. Sie können sich geringer beachtet und geschätzt fühlen. Im schlimmsten Fall können diese Mitarbeitenden ihr Interesse an der Zusammenarbeit verlieren, weil sie sich weniger wichtig in Ihrem Büro fühlen.
Wenn Sie möchten, dass das positive Teamklima aufrechterhalten bleibt, und Ihre Mitarbeitenden sich wohl fühlen, achten Sie auf ein ausgewogenes Miteinander. Dabei sollten Sie alle Menschen in Ihrem Versicherungsbüro gleichermaßen im Blick behalten. Und auch wenn Sie nicht mit jeder Person lange quatschen möchten, dann können Sie dennoch bewusst Fragen beispielsweise nach dem Wohlbefinden, nach dem Wochenende, nach den Urlaubsplänen oder nach den Kindern bzw. Hobbys stellen. Das sind eher unverfängliche Themen, über die sich die meisten Menschen gerne unterhalten. So kommen Sie mit allen Mitarbeitenden ins Gespräch und geben Ihnen das Gefühl, dass sie wichtig sind. Hoffentlich sind auch Sie für Ihre Mitarbeitenden wichtig und wertvoll. Sie brauchen sich nicht zu verstellen. Achten Sie einfach darauf, dass Sie im Büro jeder Person genauso viel Aufmerksamkeit und Beachtung schenken. Dadurch können Sie zugleich mitbekommen, was die „Anderen“ täglich am Arbeitsplatz tun und wie sie es tun. Vielleicht könnten Sie dann einige Mitarbeitende besser unterstützen oder Ihnen passendere Aufgaben geben, an welchen sie wachsen oder einfach mehr Spaß an der Arbeit bekommen. Am Ende des Arbeitstages könnten sie möglicherweise sogar bessere Leistungen zeigen. Wer weiß…
Menschen haben feine Antennen dafür, wie Sie Ihre Aufmerksamkeit im Büro verteilen. Mit Ihrer achtsamen Führung können Sie jeden Tag dazu beitragen, dass Ihre Mitarbeitenden nicht unbewusst in „Drinnen“- und „Draußen“-Teams aufgeteilt werden, sondern stets in einem Team bleiben. Ihre bewusste und achtsame Führungsarbeit kann sogar dazu beitragen, dass manche Ihrer sog. „Under-Achiever“ wieder mehr Interesse an der Arbeit zeigen und sogar mehr leisten.
Ich kann mir vorstellen, dass dies ein wünschenswertes Ergebnis Ihrer achtsamen Haltung wäre.
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken, und mit Ihrer Haltung und ihrem Verhalten gegebenenfalls gegensteuern, um Ihre Mitarbeitenden nicht unbewusst in „Drinnen“ und „Draußen“ aufzuteilen, sondern zu einem Team zu vereinen, um zusammen an einem Strang zu ziehen! Dafür drücke ich Ihnen fest meine Daumen.
Bleiben Sie währenddessen stets neugierig, achtsam und natürlich gesund😊.
Ludwika