Da ich seit vielen Jahren eine, wie ich finde, angenehme Situation genieße, weil ich hauptsächlich in meinem Home-Büro arbeite, lag mir der Gedanke fern, dass ein Home-Office ungesund sein kann.
Ich reise grundsätzlich sehr viel (wenn gerade kein neues Virus unterwegs ist), weil ich etliche Teamworkshops und Coachings vor Ort in den Maklerbüros durchführe. Aus diesem Grund genieße ich jeden Tag, den ich in meinem Home-Office verbringe. Ich kann in Ruhe Konzepte schreiben, Online-Coachings durchführen und in den Pausen sogar ein bisschen was in den eigenen vier Wänden erledigen, was ich auch genieße. Schließlich bin ich sonst viel auf Reisen und in Hotels.
Am Anfang der Pandemie habe ich enthusiastische Äußerungen von vielen Freunden gehört, wie schön es im Home-Office sei. Viele Menschen haben jahrelang in engen Büros mit vielen Störungen gearbeitet – laut telefonierende, mitunter schimpfende Kolleginnen und Kollegen, die obendrein in unpassenden Momenten „mal eine kurze Frage“ hatten. Da waren auch die Chefs, die unerwartet zusätzliche „ganz dringende und wichtige“ Aufgaben vorbeigebracht haben. Aus solchen Gründen empfanden viele Menschen das Home-Office wie ein längst vergessenes Paradies.
Nach Monaten Home-Office in der Pandemie habe ich die Ergebnisse einer Studie der Technischen Hochschule in Chemnitz zum Thema „Psychische Belastungen im Home-Office“ gelesen und wurde hellhörig.
Dr. Bertolt Meyer von der TU Chemnitz fand heraus, dass „…fließende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben viele Menschen belasten“. Dabei haben rund 60 Prozent der Befragten, die von Zuhause aus arbeiten, angegeben, dass die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben im Homeoffice verschwimmen und mehr als jede vierte (27 Prozente) das als Belastung empfindet. Dabei sind Frauen im Durchschnitt stärker emotional erschöpft, wenn kleine Kinder im Haushalt zu betreuen sind und es an sozialer Unterstützung durch Kollegen oder einen Partner fehlt.
Nach privaten Recherchen habe ich erfahren, dass viele Menschen das vermeintliche Paradies langsam nervt, weil sie „draußen“ keinen Zufluchtsort vor häuslichen Herausforderungen finden und weil ein spontaner sozialer Austausch mit Arbeitskollegen/innen fehlt.
Mein Fazit: Zu viel Home-Office kann tatsächlich krankmachen. Da viele Menschen jedoch noch ein paar Wochen – oder sogar Monate – diese Situation aushalten sollen, habe ich ein paar Tipps für ein gesünderes Home-Office zusammengestellt.
- Abgrenzung zwischen Arbeits- & Privatleben gestalten – Schaffen Sie, soweit es Ihnen möglich ist, eine Grenze zwischen den beiden Lebenswelten.
- Feste Morgen- und Abendroutinen einführen – Das könnte beispielsweise ein morgendlicher Spaziergang sein, der den Weg zur Arbeit simuliert. Auch morgendliche Umschaltrituale wie das Anziehen angemessener Bürokleidung (also keine „Pyjamahosen-Party“ vor dem Computer😊) und eine Tasse Kaffee bei einem vereinbarten Online-Gespräch mit einer Lieblingskollegin/Kollegen können die Abgrenzung unterstützen. Um das Ende eines Arbeitstages einzuläuten, können Rituale wie das Zuklappen des Laptops (oder sogar „Verstecken“ des Laptops), das Schließen der Tür zum Arbeitszimmer und erneut ein kleiner Spaziergang, der nun den Heimweg simuliert, hilfreich sein. Falls Ihnen jedoch durch solche Routinen jedoch zu viel der gewonnenen Flexibilität verloren, dann beobachten Sie sich und finden heraus, wie viel Struktur für das eigene Wohlbefinden notwendig ist.
- Arbeits- und Pausenzeiten festlegen, einhalten und öffentlich kommunizieren – Um fließende Übergänge zwischen Arbeit und Privatleben zu minimieren oder ganz zu vermeiden, ist es empfehlenswert, feste Arbeits- und Pausenzeiten zu planen und diese dem Team und Vorgesetzten und auch der eigenen Familie mitzuteilen (z.B. Treffpunkt 12.30 zur Mittagspause). Auch wenn ich lieber abends arbeite, wenn die Kinder im Bett sind, sollte man dies mitteilen und einhalten. Damit legt man die eigene Erreichbarkeit fest und sorgt für weniger Stress bei allen Beteiligten. Im Homeoffice könnte man die eigene Arbeitszeit individueller an den eigenen Rhythmus anpassen – zumindest mehr, als das im Büro der Fall ist. Es ist dennoch wichtig für die eigene Gesundheit, dass Pausen und Feierabend festgelegt sind. Die oben genannte Studie zeigt nämlich, dass im Homeoffice häufiger Überstunden gemacht werden.
- Räumliche Trennung von Arbeitsplatz und Privatem – ist das A und O für eine erfolgreiche Abgrenzung. Das kann private Unterbrechungen und somit den Stresslevel reduzieren. Ein Schild „Bitte nicht stören“ an der Tür kann dem Nachwuchs als Erinnerung dienen, damit niemand einfach „reinplatzt“, wenn Sie gerade ein wichtiges Kundengespräch führen. Ein separater Arbeitsplatz fördert die Konzentration auf den Job und bei Pause und Feierabend das „Abschalten“. Sofern kein Arbeitszimmer vorhanden ist, bieten sich alternativ Raumtrenner bzw. Sichtschutzmöglichkeiten an, etwa in Form von einem Schrank oder einer etwas höheren Pflanze. Falls Ihnen nur Küche oder Wohnzimmer zur Verfügung stehen, sind feste Abschaltrituale umso wichtiger, um den Anfang und das Ende der Arbeit zu markieren (wie gesagt, den Laptop zuklappen oder verstecken😊, Spaziergang, andere Kleidung, etc.). Und: versuchen Sie nie im Schlafzimmer zu arbeiten. Sonst kann es sehr schwer fallen, für die Nacht gedanklich abzuschalten. Falls es wirklich nicht vermeidbar ist – tragen Sie abends Ihren Laptop und ggf. Unterlagen in ein anderes Zimmer oder decken sie zumindest zu.
- Gesundheitsfördernde Arbeitsplatzgestaltung
- Raumklima beachten – schon vor der Corona-Zeit haben Forscher festgestellt, dass regelmäßiges Lüften unsere Leistungsfähigkeit erhöhen kann. Dabei ist die Lufttemperatur von ca. 20 bis 22 Grad für unser Denken sehr günstig. Pflanzen helfen bei der Regulierung der Luftfeuchtigkeit, Produktion von Sauerstoff und der Filterung von Schadstoffen wie Kohlenstoffdioxid und wirken sich daher positiv auf unser Wohlbefinden während der Arbeit aus.
- Beleuchtung anpassen – schlechtes Licht kann unsere Augen strapazieren und die Denkleistung reduzieren. Die Lichtverhältnisse sollten wir an Sehvermögen anpassen, dabei Reflexionen, Spiegelungen und Blendungen vermeiden und für ausreichend Tageslichteinstrahlung sorgen, welche durch eine Deckenbeleuchtung und eine zusätzliche Schreibtischlampe (gerade in den dunklen Monaten) ergänzt werden kann.
- Lärm reduzieren – wir sind leider nicht immer Herr von Außengeräuschen, aber zumindest könnte man überlegen, was machbar ist und dies umsetzen (z.B. bei Telefonaten das Fenster schließen, der Familie die geplanten Zeiten für wichtige Kundengesprächen nennen und um Ruhe bitten).
- Arbeitsplatzstruktur bewusst schaffen – Um sich selbst nicht abzulenken, sollten nur die notwendigen Arbeitsmittel und -materialien griffbereit auf dem aufgeräumten Schreibtisch Platz finden. Dabei empfiehlt es sich, auf ein Übermaß an Dekoartikeln und persönlichen Gegenständen zu verzichten, um keine unnötigen Ablenkungen zu schaffen.
- Stressreduktion, Regeneration & Ressourcenaufbau
- Fokuszeit festlegen– schirmen Sie sich mindesten einmal pro Tag für ein Zeitfenster ab (keine Anrufe annehmen, keine Emails sichten, etc.), um wichtigste und dringlichste Aufgaben morgens oder im Leistungshoch konsequent zu erledigen. Dies wird Ihnen enorm viel Stress abnehmen und am Ende des Tages werden Sie sich glücklicher und entspannter fühlen.
- Routinearbeiten im Leistungstief erledigen
- Ähnliche Aufgaben bündeln und gemeinsam bearbeiten (Telefonate, Recherchen, Einkäufe, Überweisungen, etc.)
- Minipausen konsequent machen – Es geht hier um kurze Pausen zwischendurch von zwei bis vier Minuten, wo Sie drei Kontrasterlebnisse schaffen:
- Tätigkeitswechsel – machen sie kleine Dehnungsübungen/ Bewegungen, einfach etwas Anderes, als vor dem Computer zu sitzen.
- Inhaltswechsel – denken Sie an Ihr Wochenende, an das nächste Gartenprojekt, Urlaub, egal. Hauptsache, Sie stehen auf und lenken sich mit angenehmen Gedanken ab.
- Raumwechsel – gehen Sie weg von Ihrem Schreibtisch, gehen Sie in die Küche, auf den Balkon, in den Garten, in den Keller, egal. Hauptsache kurz weg vom Schreibtisch.
- Soziale Unterstützung ist eine der wichtigsten menschlichen Ressourcen. Die Psychologin Ammy Warner hat bei Ihrer weltberühmten Hawaii Studie viele Jahre Kinder aus sozialen Risikofamilien begleitet und untersucht. Die Ergebnisse waren eindeutig. Alle Kinder, die mindestens eine Bezugsperson hatten, die an sie geglaubt hat, konnten trotz der widrigen Umstände ein hohes Maß an Resilienz entwickeln und ein erfolgreiches, glückliches Leben als Erwachsene führen. Unsere unterstützenden sozialen Kontakte sind somit entscheidend, ob wir ausgeglichen und psychisch gesund bleiben. Wie könnten wir es in der Pandemie Zeit mit „social distancing“ schaffen, die Kontakte auch aus dem Home-Office heraus aufrechtzuerhalten und zu pflegen?
- Kooperationstandems erzielen – wir bilden mit einer Kollegin/Kollegen im Homeoffice ein Zweierteam (sinnvoll ist es, mit einem Menschen das Team zu bilden, der das gleiche Aufgabengebiet hat) und jederzeit ansprechbar bleibt.
- Monatliche Wohlfühlstunden mit dem Team verabreden – um auch über andere Themen als To-Do‘s und operative Aufgaben zu sprechen (eine Führungskraft könnte mit dem Team u.a. über strategische Ziele sprechen und somit den Blick von „hier und jetzt“ in die Zukunft richten.)
- Gemeinsame Kaffeepause zwischendurch mit einer Lieblingskollegin/Kollegen, allerdings überlassen Sie es nicht dem Zufall, sondern legen Sie z.B. per Outlook einen täglichen Termin fest.
- Die privaten Kontakte außerhalb der Arbeit pflegen – zum Beispiel Spaziergänge, Wanderungen oder Treffen im Freien mit guten Freunden oder Bekannten.
Home- Office wird uns noch eine Weile begleiten (und vielleicht wird es sogar zu einem festen Bestandteil unseres Arbeitslebens) und es lohnt sich darüber nachzudenken, wie Belastungen reduziert, Ressourcen aufgebaut und die eigene psychische Gesundheit gestärkt werden können.
Ich wünsche Ihnen dabei viele kreative Ideen, und bleiben Sie (auch im Home-Office) weiterhin zuversichtlich, neugierig – und gesund.
Ludwika